Katharina von Alexandria (um 300 nach Christus)

von Ursula Göggelmann

Sie war die Lieblingsheilige der Reutlinger Frauen und hat an mehreren Orten in der Stadt Spuren hinterlassen. Die am Standort der ältesten Kirche in Reutlingen stehende Katharinenkirche ist nach ihr benannt. Diese Kirche ist am Ende des 19. Jahrhunderts erbaut.

In der Reutlinger Hauptkirche, der gotischen Marienkirche, erbaut 1247-1343 im Zentrum der Stadt auf Grund eines Gelübdes der Reutlinger Bürgerschaft, ist eine gotische Steinskulptur von ihr zu finden. Sie wird liebevoll ´s “Kätterle“ genannt. Ursprünglich befand sie sich außen auf einem Stützpfeiler an der Südostecke des Chors. Wegen der Gefährdung durch Umwelteinflüsse wurde sie 1992 ins Innere der Kirche über die Taufkapelle versetzt. Außen befindet sich eine Kopie. Bei ihr fehlen die charakteristischen Kennzeichen Schwert und Rad.

Das war Anlass zu unterschiedlichen Deutungen der Figur. Sie wurde auch als Königin von Saba (so Dolmetsch bei der Renovierung der Marienkirche, 1904) oder als König oder Staufferkaiser Friedrich II. (so in einer Ausstellung des Heimatmuseums Reutlingen „Figuren des Heils, 2009) gedeutet. Da aber die heilige Katharina im Bildprogramm der Marienkirche eine so bedeutende Rolle spielt, halten wir an der Deutung der Figur als Katharina fest. Auch ihre Verehrung als „Kätterle“ in der Volksüberlieferung hat ihr Gewicht.

In der Sakristei der Marienkirche, der früheren Katharinenkapelle, erzählt ein Bilderzyklus die Legende ihres Lebens.
Auf dem
1. Bild steht die Königstochter vor dem römischen Kaiser Maxentius (306-312). Sie verteidigt das Christentum vor dem heidnischen Kaiser. Der Kaiser ist ihren Argumenten nicht gewachsen und holt die gelehrten Philosophen aus der Stadt Alexandria zu Hilfe, dass sie Katharinas Rede widerlegen sollen. Es gelingt jedoch der gebildeten und redegewandten Katharina, die Philosophen zum Christentum zu bekehren. Auf einem Spruchband in lateinischer Sprache ist zu lesen: „Nos oratores superatos“. Wegen ihrer Redegewandtheit gilt Katharina als Schutzheilige der Philosophinnen, Wissenschaftlerinnen, Rechts- anwältinnen und Theologinnen.
2. Bild Die Philosophen, die sich zum Christentum bekehrt haben, lässt der Kaiser zur Strafe verbrennen. Katharina tröstet sie. Sie selbst soll zur Strafe aufs Rad geflochten werden, das Speichen aus Schwertern hat. Auf diese schreckliche Weise soll sie getötet werden. Aber ein Blitz zerstört das Rad. Die Schwerter fallen zu Boden und treffen die Henkersknechte, die vor Schreck umfallen oder fliehen.
3. Bild Nun verlangt der Kaiser den Tod Katharinas. Ein Henker enthauptet sie mit dem Schwert. Als Lohn für das Martyrium sprosst eine üppige Pflanze. Aus der Wunde der Märtyrerin soll Milch statt Blut geflossen sein. Lateinische Inschrift: „Et lac pro sanquine datum“. Wegen dieses Wunders gilt Katharina als Helferin bei drohender Fehlgeburt und zu glücklicher Entbindung.

Auch unter den drei heiligen Frauen an der Ostwand der Sakristei ist Katharina zu finden, ebenso in der Eingangshalle der Kirche. Die dortige Wandmalerei ist bei der Renovierung 1894 wieder entdeckt worden. Katharina ist dort mit ihren Attributen Rad und Schwert dargestellt, die auf der Skulptur fehlen.

Katharina ist eine echte Volks- und Frauenheilige. Sie gehört zu den 14 Nothelfern, den virgines capitales. Sie hilft Frauen bei der Entbindung, schützt vor drohender Fehlgeburt und bewahrt vor Mund- und Zungenkrankheiten.

Literatur:

G.M.Dinklelaker: ´s Kätterle – eine hochgotische Skulptur an der Reutlinger Marienkirche, hg. Ev. Dekanat Reutlingen, Reutlingen 1997.
Simone Stein: Gesundheit aus Glauben und Natur, München 1987, S. 97-100.
Figuren des Heils – Gotische Kunst aus Reutlingen, Hsg. Heimatmuseum Reutlingen, 2009.